19. November 2016

Gründerzeit

Zwei weitere Damals/Heute Vergleiche komplettieren meine Amrumer Ansichten. Allerdings sind beide Vergleiche die wohl am wenigsten gelungenen. Die Perspektive gab einfach nicht mehr her. Details – hier klicken.

Grundlage für meine Amrumer Ansichten ist meine Sammlung historischer Postkarten, die jetzt mehr und mehr mit den teureren Exemplaren ergänzt wird. Allein letzte Woche habe ich wieder sechs weitere Postkarten erstanden. Und ich erkenne jetzt wirkliche Raritäten – eine davon möchte ich an dieser Stelle separat vorstellen. Es ist die älteste gelaufene Postkarte in meiner Sammlung. Karte wie auch Poststempel sind auf den Juli 1901 datiert. Die Karte zeigt zwei Gebäude, die schon lange nicht mehr existieren – das Kurhaus in Wittdün und das „Hotel Central“. So weit mir bekannt wurden die Gebäude Ende der 50er Jahre abgerissen.

Kurhaus Wittdün 1901
Die älteste Postkarte meiner Sammlung aus dem Jahr 1901 zeigt das prunkvolle Kurhaus in Wittdün

Im Jahr 1901 waren diese beiden Gebäude jedoch äußerst repräsentativ. Ihre Nutzung fällt in die glorreiche Gründerzeit des Seebades Wittdün. Diese begann ca. 1890. Das Kurhotel galt zu Beginn des Jahrhunderts als die feinste Adresse der etablierten Nordseebäder. 63 Zimmer mit edelster Ausstattung, ein prunkvoller Salon (auch auf diversen Postkarten verewigt) und Ausdruck eines Anspruchs, den Amrum und Wittdün wohl nur zu dieser Zeit repräsentiert haben. Vor dem Kurhaus war die große Fähranleger-Brücke, an der täglich Schiffe der Linie Hamburg – Helgoland – Westerland anlegten. Und mit Schiffe meine ich die damals großen und bedeutenden Dampfer des Norddeutschen Llyods. Wittdün war einer der wenigen Häfen, an denen die Passagiere nicht „ausgebootet“ werden mussten. Über die Anlegerbrücke ging es direkt zu den Stufen dieser prachtvollen Bauten. Fotos aus jener Zeit wirken heute noch sehr beeindruckend. So schön die Gründerzeit auch war und so sehr sie auch die gut betuchte Gesellschaft anlockte – um 1910 stellte sich heraus, dass die Gier einiger Gründerväter wohl größer war, als ihre Geschäftstüchtigkeit. Aus dem „Kaiserhof“, ebenfalls ein Prachtbau – auf dieser Karte nicht zu sehen – wurde eine Jugendherberge. Viele Häuser der Gründerzeit verfielen, nur wenige sind bis heute erhalten. Besonders beachtlich ist auch die Art und Weise, wie diese Gebäude termingerecht entstanden sind. Bauarbeiter, die in Baracken und Erdlöchern gehaust haben, arbeiteten Tag und Nacht und schafften die Baumaterialien, die mit Schiffen auf die Insel gebracht wurden, bei Ebbe an die Baustellen.

Ich jedenfalls finde dieses Foto beachtlich. Wenn ich mir die Stufen anschaue, an deren Füßen prunkvolle Dampfer anlegten und mir klarmache, dass ich in meinen Urlauben dort jeden Tag vorbeigehe, dann nehme ich mir wieder und wieder vor, noch mehr nach den Spuren dieser Zeit zu suchen. Die sind jedoch kaum mehr vorhanden. Ich hoffe ja, dass die Hauswand in der Mitte zwischen den beiden Gebäuden zu einem heute noch bestehenden Haus gehört – dann würde sich hier eine ganz besondere neue Amrumer Ansicht ankündigen, nach der ich bei meinem nächsten Besuch Ausschau halten werde.

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