Es gibt Dinge im Netz, die kommen
und gehen. Andere Dinge haben bleibenden Status und sind nicht mehr
wegzudenken. Wer kennt heute noch AOL oder Compuserve? Wer nutzt heute noch ICQ
oder Netscape?
Dinge aber wie
Wordpress (oder das Bloggen im Allgemeinen), Wikipedia oder Paypal – letzteres beständiger
als der eBay-Schoss, aus dem es einst entsprang – sind nicht mehr wegzudenken.
Was Messaging Tendenzen wie Twitter, Instagram oder Snapchat angeht wird es so
sein, wie mit all diesen Tools. Sie werden ständig modifiziert und manchmal aufgekauft.
Substanziell und bleibend ist hier nur die Kommunikation selbst.
Eines der Dinge,
die sich rasant verbreitet haben, nennt sich „Bitcoin“. Und ich nehme es mal
stellvertretend für alle neuen Währungen, die derzeit im Internet als neue
Zahlungsmedien entstehen. Ich bin jetzt Besitzer einer Bitcoin-Geldbörse, einem
„Wallet“ und verfüge damit über virtuelles Geld, dessen Wert aber ein reales
Pendant in den realen Währungen hat. Und wenn ich das jetzt geschrieben habe,
dann ist das eigentlich falsch, denn es ist viel zu kurz gedacht. Ein typischer
Gedanke aus einer Übergangszeit, an deren Anfang wir uns gerade befinden.
Ja, ich würde es
gerne besser erklären. Ich versuche es mal. Das ist nicht nur in technischer
Hinsicht schwer zu erklären (und ich bin mir nicht sicher, ob ich alles
durchschaue).
Bitcoins sind aus
dem Stadium, eine virtuelle Fantasie-Währung zu sein, längst herausgetreten.
Die größte Hürde hierfür ist die Wertschöpfung selbst und ein zunächst nicht
vorhandener Einklang mit einer dezentralen Struktur. Konkret: Wenn ich mich
beim einem Bitcoin-Dienstleister anmelde nutze ich eine Software, die sich in
ein dezentrales Netzwerk („Peer-to-Peer“) eingliedert. Transaktionen laufen
dezentral und in Echtzeit, was das Prinzip „Bank“ und jede Regulierung überflüssig
macht. Dieses Hauptmerkmal ist auch gleichzeitig der vermutlich einzige Grund,
warum wir noch Geldbörsen haben und sich dieses Prinzip nicht längst
durchgesetzt hat. Es greift zwar keine kapitalistischen Prinzipien, wohl aber
die bestehende Struktur unseres Finanzsystems massiv an. Bitcoins sind daher
vermutlich die Währung der Nerds und der Revoluzzer unter den Digital Natives,
der Generation, die bereits mit dem Internet aufgewachsen ist. Das hört sich abfällig
an, aber ich bin ja an diesem genialen Prinzip sehr interessiert. Und ich bin
absolut sicher, dass wir schon bald nicht mehr über „den EURO“ nachdenken. Je
weiter die Wertschöpfung in diese neue Währung verlagert wird, desto mehr
werden Bitcoins und traditionelle Währungen die Rollen tauschen. Es dauert
seine Zeit. Das sind massive Paradigmenwechsel, die nötig sind, um uns vom
liebgewonnenen Geld, das in der Hosentasche klimpert, zu entwöhnen. Und es wird
natürlich Versuche im traditionellen Finanzsystem geben, diese Entwicklungen zu
verhindern. Diese Entwicklung kann aber nur behindert werden – aufhalten lässt
sich dieses Prinzip meiner Meinung nach nicht.
Paypal macht es ja
quasi vor. Paypal und Bitcoin haben aber nur eines gemeinsam – eine Plattform
als Stellvertreter für traditionelles Geld zu sein. Bitcoin ist umfassender. Es
gibt keine Institution außer der „BlockChain“ hinter der dezentral alle User
stehen. Wie läuft das praktisch ab?
Zunächst suche ich
mir einen Bitcoin Client. Den gibt es für jedes Desktop- und für jedes mobile
Betriebssystem. In ihm erstelle ich eine Wallet, also eine virtuelle Geldbörse.
Diese virtuelle Geldbörse ist nicht statisch. Ich kann sie mit einer Passphrase
weitergeben (und so zum Beispiel meinen Bitcoin-Nachlass regeln ;-) )
Dann muss ich einen
Schritt machen, der in Zukunft komplett wegfallen wird, im Moment aber noch
notwendig ist. Ich muss Bitcoins kaufen. Das mache ich über eine Verbindung zu
meinem realen Bankkonto bzw. meiner Kreditkarte. Der Preis fluktuiert ständig,
wie bei anderen Währungen auch. 1 Bitcoin hat einen Gegenwert von derzeit 640
USD.
Bevor ich zum
interessanten Teil komme, nochmal der Hinweis: diese Umrechnung ist
anachronistisch, denn wenn alle Menschen Bitcoins verwenden und alle
Institutionen und Geschäfte eine Zahlung mit Bitcoins zulassen würden, wäre der
nun folgende Teil noch viel interessanter. Die Zahlung erfolgt an eine Adresse,
die wie eine temporäre Kontonummer fungiert. In dem konkreten Fall, für den ich
meinen Bitcoinzugang angelegt habe, hat mir der Empfänger eine Adresse mitgeteilt,
die aus 32(?) Stellen, Buchstaben und Zahlen bestand. Über meinen Client habe
ich den Gegenwert von 20,- EUR als Bitcoins an diese Adresse geschickt. Die
Transaktion war sofort abgeschlossen. Jetzt muss man sich nur noch vorstellen,
dass diese Adresse natürlich nicht eingetippt wird. Sie kann theoretisch in
einem Bild stecken, in einem QR-Code, einem Barcode, auf dem Display eines
Smartphones etc.
In einem Supermarkt
würde das so aussehen: Ein Einkauf würde dann mit der Kamera meines Smartphones
gemacht werden. Diese liest die Bitcoin Empfangsadresse und ich autorisiere die
Zahlung aus meinem Bitcoin-Client mit meinem Fingerabdruck. Das ist nicht
futuristisch – das ist problemlos zu realisieren. Es bräuchte technisch nur
minimale Veränderungen, denn die Infrastruktur existiert bereits in fast jeder
Hosentasche. Aber es ist, wie gesagt, die Macht der Gewohnheit und die
Wertschöpfungsketten innerhalb bestehender Finanzstrukturen, die das (noch)
nicht zulassen. Der Handshake zwischen Supermarktkasse und meinem Smartphone
benötigt keinen Zwischenschritt mehr über ein Geldinstitut. Beide sind in
demselben Netzwerk.
Was die Sicherheit
angeht, so ist diese, gerade weil es diesen Zwischenschritt gibt, nur noch von
Brain.exe des Zahlers abhängig. Gebe ich meine Passphrase heraus, dann sind die
Bitcoins futsch. Das ist also nicht schlechter oder besser als heute, aber es
entfällt das Risiko, dass mein Geld von meiner Bank spekulativ auf dem
Finanzmarkt pulverisiert wird. Das ist eine Erfahrung, die jenseits unserer
Vorstellung liegt, aber sicher möglich ist. Fragen sie einfach mal die ehemaligen
Kunden der „Lehman Brothers“. Bitcoins sind dahingehend sicher, dass sie
dezentral sind und jenseits aller Spekulation existieren. Ihr Wert kann nicht
gesteuert werden, mit ihrem Kurs kann nicht spekuliert werden.
Das eben
beschriebene Zahlungsprinzip gibt es schon. Es gibt bei großen deutschen
Discounter schon die Möglichkeit, mit einer einfachen Karte zu bezahlen.
Bitcoin geht einen Schritt weiter. Es braucht keine Karte bzw. keine Instanz
mehr, die so eine Karte ausgeben und verwalten muss. Es gibt keine Konten mehr
im klassischen Sinne. Ich würde morgens mit meinem Smartphone statt Türkarte
das Gebäude meines Arbeitgebers betreten und am späten Nachmittag wieder
verlassen – die Arbeitszeit wird sofort amortisiert als Bitcoins und meinem „Wallet“
abgelegt. Einkäufe im Netz sind direkt mit der Wallet verbunden. Einkäufe in
der realen Welt laufen über einen Scan der Produkte in meinem Einkaufswagen.
Der übernächste Schritt ist dann naheliegend: die Finanzen und die Dienstleitungen
werden entmenschlicht – darüber aber zu spekulieren und hier Pro & Contra
abzuwägen, nun, dafür ist es jetzt noch viel zu früh. Das Paradoxe dabei:
würden sich Bitcoins durchsetzen, wäre das der ultimative Sieg der
Neoliberalen, denn Bitcoins benötigen keine Regulierungen. Sie regulieren sich
selbst und reflektieren dann auch alle menschlichen Eigenschaften. Und nichts
prägt unser Verhalten so sehr, wie die Gier … .
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