23. Februar 2014

Erwachen

Nur deswegen gibt es den Verstand: damit sich Wunsch und Erinnerung 
zu einem tieferen Sinn vereinen können.

... und als ich die Dunkelheit satt hatte, beginnen wollte, der Sonne nachzujagen; als ich das Blau des Himmels einfangen wollte, weil ich Regen und Wolken und Sturm nicht mehr sehen konnte; als ich die Wärme und das Feuer immer bei mir haben wollte, da erwachte ich im Sommer an einem menschenleeren Strand. Ich erwachte und erkannte: weil wir die Zeit, weil wir den Moment, den vielleicht perfekten Augenblick nicht einfrieren, die Welt nicht anhalten können - nur deswegen gibt es den Verstand, in dem sich Wunsch und Erinnerung zu einem tieferen Sinn vereinen können.

Wer dies für eine banale Erkenntnis hält, versteht nicht, dass es gar nicht um die Erkenntnis, sondern um das Erwachen geht. Wer den Sinn des Träumens und jeden einzelnen Moment des Gedankens daran für träumerisch naiv hält, der sollte endlich beginnen, aus dem eigenen traumlosen Dahinleben zu erwachen.

Schatten der Vergangenheit? - Teil 2

Ich habe mich heute den ganzen Tag mit den alten Dokumenten zu meinem Großvater beschäftigt. Es gab da einen Ordner, der einige Zeugnisse und Urkunden umfasst, den ich nur überflogen hatte. Das sind hauptsächlich Heirats- und Sterbeurkunden. Nichts Aufregendes.
Wehrpaß von Franz Killat - man beachte die Namensänderung
Einige Dokumente waren dann aber doch interessant. Es gibt da einen "Major Fischer", dem mein Großvater im 1. Weltkrieg wohl das Leben gerettet hat. Möglicherweise steht das im Zusammenhang zu der Auszeichnung, die er im 1. Weltkrieg erhalten hat.

Franz Killat hat an der "Schlacht von Tannenberg" teilgenommen. Es ist ein Zufall, dass dieses Ereignis im Mittelpunkt meines ersten Romans "Amor Simplex" steht. Aber vielleicht gibt es wirklich keine Zufälle ...?

Ich habe daher eigens eine Seite zur Ahnenforschung eingerichtet, auf der ich auch zur Kontaktaufnahme ermuntere. Die Fragen, die mich beschäftigen, sind dort zusammengefasst:

Aber zurück zu meinem Eintrag von gestern und den beiden Hinweisen, die ich zu Franz Killat gefunden habe: Beide Einträge sind natürlich widersprüchlich. Wenn der Leserbrief korrekt ist, dann ist mein Großvater 1945 in Königsberg ums Leben gekommen. In diesem Fall interessieren mich die genauen Umstände - denn wie schon erwähnt, diese Nachricht ist neu. Zwischen "Verschollen" und "Verstorben" liegt die Gewissheit. Gewissheit sind Tatsachen, die ich gerne erfahren würde.

Der zweite Eintrag, der auf einen Franz Killat aus Reutlingen hindeutet, wirft natürlich die Frage auf, ob mein Großvater unter seinem alten Namen weitergelebt hat. Wenn ja, warum hat er das getan? Dafür könnte es zwei Gründe geben:

1.) Er wollte die Vergangenheit hinter sich lassen und ein neues Leben beginnen. Franz Killat war bereits das zweite Mal verheiratet. Vielleicht hat er die Gelegenheit genutzt und ist aus einer vielleicht gescheiterten zweiten Ehe geflohen.

2.) Franz Killat war kein Mitläufer. Von der Oma, also seiner Ehefrau, wurde mir von meinem Vater erzählt, dass sie eine sehr naive, aber glühende Nationalsozialistin war. Angeblich hat sie bis zum Schluss geglaubt, dass "der Führer" bis zum letzten Atemzug kämpfend für Deutschlang gefallen war. Auch von einem ihrer Söhne aus erster Ehe existieren haarsträubende Briefe an meinen Vater, in dem dieser zu dieser "guten alten Zeit" bekehrt werden soll.
Diese These - und die halte ich für plausibel - stützt sich auch auf die Funktion meines Großvaters. Er hatte einen militärischen Dienstgrad und war darüber hinaus zuletzt "Hauptwachtmeister der Landespolizei". Diese sogenannte "Schutzpolizei" war für die Organsation all der Dinge verantwortlich, die der Deutschen Geschichte zurecht wie ein Makel anhaftet. Er wäre mit Sicherheit niemals in Gefangenschaft gegangen - man hätte mit ihm kurzen Prozess gemacht. Taucht dann der Name Anfang der 60er Jahre in einer Todesanzeige auf - wem würde das schon auffallen? Heute fällt es auf, denn das Internet stellt Zusammenhänge her, die jahrzehntelang verborgen waren.

Welche Aufgabe mag ein Revier-Leutnant der Schutzpolizei gehabt haben?
Naja, vielleicht liege ich auch falsch und es gibt tatsächlich mehrere Killats. Mal schauen, welches Feedback ich in der Zukunft erhalte.


22. Februar 2014

Schatten der Vergangenheit? - Teil 1

Im Zuge meiner Recherchen über die Vergangenheit der Familie "Killert" habe ich vor einigen Tagen mal nach der alten Schreibweise "Killat" gegoogelt. In den 40er Jahren hatten die Nazis bestimmt, dass der Name "Killat", der angeblich slawisch klingen würde (ziemlicher Unsinn, aber soll hier jetzt nicht Thema sein) in "Killert" geändert werden müsse. Mein Großvater Franz Killat hat dies minutiös, samt Arier-Nachweis, dokumentiert.

Was also lässt sich zu Franz Killat finden? Neben den mit schon bekannten Einträgen (Adress-Register von Memel) habe ich zwei Hinweise gefunden, die unglaublich interessant sind und denen ich weiter nachgehen werde:

Den ersten Hinweis finde ich im Scan einer Zeitschrift namens "Memeler Dampfboot - Die Heimatzeitung aller Memelländer" vom 05. Februar 1961. Dort gibt es den Leserbrief eines gewissen Friedrich Torkel, vermutlich als Antwort auf einen Artikel einer vorherigen Ausgabe:


In diesem Leserbrief sind  zwei Dinge festgehalten, die mir komplett neu waren:

- Franz Killat war Träger der "Goldenen Verdienstkreuzes" für Unteroffiziere im Ersten Weltkrieg.
- Franz Killat ist im April 1945 in Königsberg gefallen.

Bisher galt mein Großvater lediglich als verschollen und wurde 1956 für tot erklärt. Der Schreiber dieses Leserbriefes scheint mehr gewusst zu haben ... . Die letzte Nachricht von Franz Killat kam jedenfalls nicht aus Königsberg, sondern aus Pillau (heutiges "Baltijsk"), was aber ganz in der Nähe ist. Auch der Hinweis auf die Witwe und die drei Söhne sind korrekt - keine Verwechselung möglich.
Mein bisheriger Kenntnisstand war, dass Franz Killat ein einfacher Polizei-Wachtmeister gewesen war. Das stimmt wohl gar nicht.

Der zweite Hinweis ist aber noch viel interessanter. In einer Todesanzeige im "Ostpreussenblatt" vom November 1959 wird ein "Franz Killat mit Frau Ida" angeführt. 



Jetzt ist es natürlich naheliegend anzunehmen, dass es einen zweiten Franz Killat gegeben hat, der den zweiten Weltkrieg überlebt hat. Man muss auch immer bedenken, dass es 1934 diese Namensänderung gegeben hat. Aus "Franz Killat" war "Franz Killert" geworden. Nach "Killert" wurde auch gesucht - niemals nach "Killat".

Außerdem: es mag sein, dass es noch einen zweiten Franz Killat gab - wie groß aber ist die Wahrscheinlichkeit, dass dieser mit Namen wie "Budwill" und "Bartolitius"in Zusammenhang steht, die laut diversen Archiven beinahe Nachbarn (Tilsit) meines Großvaters gewesen waren?

Hier das komplette PDF des "Ostpreussenblattes".

Ich möchte an dieser Stelle erklären, dass ich kein Anhänger der ostpreussischen Landsmannschaft bin und die "alten" Ostgebiete nicht als Teil der Heimat ansehe - allerdings sind solche Publikationen interessante Quellen, die Licht in das Dunkel der eigenen Herkunft bringen. 

Welche Schlussfolgerungen sich aus diesen beiden Fundstellen meiner Meinung nach ergeben, schreibe ich hier in Kürze ... .

20. Februar 2014

Hauptsache

Manche Entsagung
ist Selbstbehauptung
behaupte ich.

Hauptsache
erhobenen Hauptes
man selbst sein.





16. Februar 2014

Hauptsache Mann

Maximierung von Menschlichkeit

Wir sollten zusehen, dass solche Ansprüche Alltag werden und nicht mehr länger als Idealismus banalisiert werden:


Mehr dazu hier bei 140 Sekunden: http://www.youtube.com/watch?v=paTpDJssBW0.



15. Februar 2014

Logische Fehler => Neustart

Die Arbeit hätte ich mir sparen können. Andererseits hätte ich einige gravierende Fehler gar nicht bemerkt: die neue Version von Papyrus Autor bietet die Möglichkeit, die Szenen in einer Geschichte in verschiedenen Handlungssträngen in einer Zeitleiste anzuordnen. Das ist eine ziemlich aufwendige Arbeit, wenn diese Zeitleiste nicht während des Schreibens erstellt wird.

Ich habe das jetzt mal für den ersten Teil meiner Thriller Trilogie ZERO DOWNTIME (-> Teaser Trailer) gemacht. Mein Hang zu Zeitsprüngen war bei AMOR SIMPLEX schon eine Herausforderung. Bei ZERO DOWNTIME zeigt sich jetzt nach dieser Strukturierung, dass trotz kontinuierlichem Schreibprozess gleich mehrere haarsträubende Inkonsistenzen aufgetreten sind.

So findet eine Autopsie einer Leiche vor dem Auffinden der Leiche statt und Erkenntnisse aus einem zentralen Ereignis der Geschichte scheinen einigen Protagonisten schon vor dem Ereignis bekannt zu sein. 

Die Inkonsistenzen verursachen einen Domino-Effekt, der es unmöglich macht, die Geschichte in ihrer jetzigen Form zu retten. Sie muss von Grund auf komplett neu geschrieben werden.

Das ist immer eine schmerzliche Erkenntnis, aber die bisherige Version von ZERO DOWNTIME ist ja auch erst die erste Version mit einigen wenigen Korrekturen. Ist also kein Beinbruch, kostet halt nur Zeit.
Die wenigen Leser, die bisher ein Exemplar zum Probelesen von mir bekommen haben, sollten diese Version aufheben. Generationen von Germanisten werden noch in tausend Jahren über diesen Fauxpas grübeln ;-)

Meine Lehre aus dieser Erkenntnis: es ist unglaublich wichtig beim Schreiben eine Timeline mitzuführen. Eine ganz exakte Timeline mit einem konkreten Datum für Szenen und Ereignisse der Geschichte. Dafür muss man sicher nicht Papyrus Autor verwenden. Ein anderes nützliches Tool ist EasyTimeline. Zur Not reichen auch einfache Notizen in SimpleNote.

Da ich die einzelnen, wesentlichen Elemente der Geschichte kenne, ordne ich jetzt die Timeline vor dem Neuschreiben an - wenn schon Zeitsprünge, dann sauber strukturiert oder mit der Erzählperspektive verbunden. Aber auch das kann für den Leser sehr anspruchsvoll sein. So wie bei AMOR SIMPLEX. Wobei ich in dem Fall alles noch mal genauso aufbauen würde.



13. Februar 2014

Im Einklang mit dem Gottesteilchen

Animiert u.a. durch diese beiden Artikel:

http://www.zeit.de/wissen/2014-02/stephen-hawking-theorie-schwarze-loecher

http://www.zeit.de/2014/01/wissenschaft-forschung-rettung

habe ich eine Ergänzung anzubringen, die ich für nicht unerheblich halte. Ich glaube, dass das sogenannte "Gottesteilchen" logisch betrachtet identisch mit dem ist, was Leibniz vor 400 Jahren als "Monade" bezeichnet hat.

Wer Naturwissenschaftler kennt, die sich für Philosophie interessieren (bei mir sind die Schwerpunkte genau entgegengesetzt), bitte auf meinen Artikel aufmerksam machen. Mich würde sehr interessieren, wie abwegig meine Idee ist ... ;-)

http://kultur-magazin-de.blogspot.de/2014/02/das-groe-ganze-im-einklang-mit-dem.html


11. Februar 2014

Das große Ganze - Im Einklang mit dem Gottesteilchen

Die Philosophie und die theoretische Physik haben mehr gemeinsam, als die Vertreter beider wahrhaben wollen. Hat das Gottesteilchen das Potenzial, die Widersprüche zwischen Geisteswissenschaften und Naturwissenschaften aufzuheben?
 
Von Peter Killert.
 
Die rationalen Denker, die Naturwissenschaftler - sie haben eine bittere Niederlage hinnehmen müssen. Der vielleicht größte Physiker unserer Zeit, Stephen W. Hawking etwa, hatte gegen die Existenz des sogenannten »Gottesteilchens« gewettet. Damit lag er falsch. Und das ist beinahe so, als läge jetzt ein Schatten auf dem großen Ganzen. Es ist wie ein Angriff auf das Dogma der Logik, welches den Naturwissenschaften innewohnt. Sind es jetzt vielleicht die Geisteswissenschaften, allen voran die Philosophie, die eine Renaissance erfahren? 
 
Die Philosophie hat zu Beginn der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts eine Pause eingelegt. Das hat zum einen etwas mit den historischen Entwicklungen zu tun, andererseits mit dem Siegeszug der Psychologie als maßgebliche Geisteswissenschaft des 20. Jahrhunderts. Man kann sogar sagen, dass ohne die tiefe Verankerung des Individuums im geisteswissenschaftlichen Denken, die einzige große philosophische Strömung zu dieser Zeit - die Existenzphilosophie und seine Sonderform des französischen Existentialismus - gar nicht denkbar gewesen wäre. Heidegger, Sartre und Camus müssen Sigmund Freud also dankbar sein. Wittgenstein oder Hilary Putnam hingegen scheinen nur Phänomene zu sein, außerhalb eines Kontextes, der für einige Jahrzehnte seinen roten Faden verloren hatte. 
 
Ansätze zur tiefen Verbindung zwischen Naturwissenschaften und Philosophie gab es schon immer. Immanuel Kant selbst ist die Verkörperung des Einklangs von Physik und Metaphysik. Seine ersten Schriften haben ausschließlich die Naturwissenschaften zum Thema - es ist alles andere als ein Zufall, dass Kant seine Verstandeskategorien zu Beginn der »Kritik der Reinen Vernunft« aus Raum und Zeit ableitet und sie als Bausteine a priori seiner Elementarlehre zur Erkenntnisfähigkeit des Menschen definiert. 
 
Aber die Pause der Philosophie ist wahrhaftig vorbei. Die Philosophie blickt nicht mehr nur auf das Individuum, sondern wieder auf das große Ganze. Die Menschen erkennen, nicht erst seit Edward Snowden, dass die Folgen der tiefen Individualisierung mit Egoismus, Werteverfall und Komplexität einhergehen. Komplexität ist dabei vielleicht am wichtigsten, denn der Wunsch nach ihrer Auflösung ist nicht nur individuell, er ist konsensfähig. Diese Welt giert nach Transparenz und nach Wahrhaftigkeit. Die Welt will die Berechenbarkeit der Naturwissenschaft auf das Miteinander, auf die Geisteswissenschaften übertragen. Nur so wird es Ideen und normative Ansprüchen geben können, die die Welt ordnen. So wie Naturgesetze und die Mathematik die Natur selbst ordnen.
 
Der Bestseller, »Warum es die Welt nicht gibt« des Bonner Philosophieprofessors Markus Gabriel ist ein gutes Beispiel dafür, dass die Philosophie wieder erwacht ist. Sein Buch ist nichts anderes als eine Transkription von Wittgensteins »Tractatus«. Wittgenstein hat nach einem sprachlichen Instrumentarium gesucht, um Erkenntnis zu beschreiben. Eine Art Mathematik der Abstraktion. Dieser Ansatz ist bis heute nicht zu Ende gedacht worden. Dieser Bestseller ist ein Statement, es ist ein Pamphlet dessen, was Philosophen »Dualismus« nennen.
 
Der sogenannte Eigenschafts-Dualismus ist die Annahme, dass es neben einem rational erklärbaren Teil der Welt auch einen metaphysischen Teil gibt, der nicht mit der Logik der Mathematik beschrieben werden kann. Ein einfaches Beispiel ist die Frage »Warum gibt es Schmerzen?« : Ein Naturwissenschaftler, insbesondere ein Neurologe, würde hier eine lückenlose Erklärung abliefern - vom Auslöser des Schmerzes hin zu den Regionen des Hirns, den Botenstoffen, ja vielleicht lässt sich sogar ein biologischer Zweck des Schmerzes an sich erklären. Aber das ist keine hinreichende Antwort für den Dualisten. Er wird hinter die Antwort blicken wollen. Damit die Welt funktioniert, muss es keine Schmerzen geben. Ein krankes Tier könnte sich vom Löwenrudel auch einfach so fressen lassen. Ein Mensch könnte auch ohne Schmerzen ein halbes Jahr im Bett liegen und sterben. Es fehlt der metaphysische Sinn. So scheint es.
 
Eine zu strikte Trennung zwischen Körper und Geist - wie etwa bei Leibniz - kann jedoch einen tiefen Trugschluss in sich bergen. Der Körper ist diesseits, der Geist jenseits, gekoppelt an höhere Mächte. Dieses Denken öffnet die Horizonte für das, was nicht mehr logisch ist. Anstelle des Dogmas der Logik tritt das Dogma des Glaubens oder der esoterischen Einfältigkeit. Irrationale Schlussfolgerungen die in Denkweisen wie dem Kreationismus, bei dem tiefgläubige Menschen jegliche Form naturwissenschaftlicher Erkenntnisse ablehnen, gewinnen womöglich die Oberhand. Metaphysik aber ist kein Ersatz für Religion oder gar ihr Gegenstück. Die Metaphysik nutzt ebenso wie die Naturwissenschaften ausschließlich die Logik als Methode. Alles andere ist nur Geschwätz. Wo also sind nun die Verbindungen zwischen den Naturwissenschaftlern und den Metaphysikern?
 
Die Verbindung liegt im Gottesteilchen. In dem, was Masse verleiht. Leibniz ging in seinem Weltbild - also bereits vor über vierhundert Jahren - von der Existenz eines solchen Teilchens aus. Allerdings mit einem metaphysischen Ansatz. Er nannte es »Monade« und es war dasjenige Element, dass einem Objekt seine Form gab. Denn schaut man in den Kosmos der Elementarteilchen, dann gibt es keine Abgrenzungen zwischen diesen Teilchen. Es gibt nur die Elementarteilchen. Es gibt nichts, was einen bestimmten Gegenstand zu diesem Gegenstand macht. Es kann ein einfacher Stein sein, der auf dem Schreibtisch liegt. Mit einem Brief wird er zu einem Briefbeschwerer. Es braucht also etwas, was dem Gegenstand eine Form verleiht. In der Physik, im sogenannten »Higgs-Feld« ist es dieses »Gottesteilchen«, welches einem Gegenstand die Masse verleiht. In der Metaphysik bei Leibniz ist es die Monade, der Stempel, die Signatur, die a priori dem Gegenstand anhaftet. Ein Begriff, der sich auch in der Informatik und der Mathematik durchgesetzt hat. Monaden sind die Träger von Substanz oder es sind abstrakte Datentypen. Wie klein ist doch der Brückenschlag dieser vorhandenen Definitionen zu einer Materialisierung dieses theoretischen Konstrukts? Ist der Träger von Substanz nicht genau das, was Masse verleiht? Und die Wortspiele liegen so nahe! So kann man dem »Gottesteilchen« das Gewicht verleihen und es in Einklang von Physik und Metaphysik setzen.
 
Und was kann so eine Erkenntnis anderes sein, als eine Herausforderung an die betroffenen Wissenschaftler? Wo bleiben die Abhandlungen, die Leibniz und Higgs, Kant und Einstein, Wittgenstein und Hawking in Einklang bringen? Im Einklang mit dem »Gottesteilchen«. Schon in seinem Namen versucht es, Metaphysisches mit purer Logik zu verbinden. Und überhaupt, wann und warum ist dieser Einklang überhaupt verloren gegangen? Werden da nicht Widersprüche konstruiert, die es gar nicht geben sollte? Warum sollte es keine rationale Erklärung für Gott geben? Warum nicht eine ebenso rationale für den puren Zufall? Man muss gar nicht alles neu denken. Alle wichtigen Fragen der Philosophie sind bereits gestellt. Die Antworten finden sich vielleicht, wenn diese Fragen des Geistes mit der richtigen Mathematik gestellt werden und die Fragen der Mathematik mit der Logik der Metaphysik beantwortet werden.
 
 
 

 

9. Februar 2014

Papier vs. Bits - Der Unterschied zwischen Fortschritt und Bequemlichkeit

Wir wissen es doch alle schon längst. Das Buch ist tot. Aber die Zeiten ändern sich so schnell - Nostalgie ist nicht mehr schwarz/weiß. Vergänglichkeit wird nicht mal mehr in Jahrzehnten gemessen. Die Folge sind Irritationen und Polemik. Und über allem schwebt der Garant des Schwarzsehens: die menschliche Bequemlichkeit.

- Von Peter Killert -


Also wenn der Besitzer eines guten eReaders diesen einem Buchliebhaber ausleiht, damit dieser mal sehen kann, wie sich elektronische Bücher anfühlen ... und wenn dieser Buchliebhaber ganz ehrlich ist ... dann wird er dem eReader etwas abgewinnen können.
Die Haptik eines Buches, der Geruch des Papiers - das sind Pseudoargumente. Mit einem guten eReader hat jeder das gleiche Leseerlebnis, wie mit einem normalen Buch.
Und wenn andererseits der Besitzer des eReaders ganz ehrlich ist, dann wird es auch für ihn nichts geben, was die Gemütlichkeit eines Raumes mit Büchern oder das Wiederlesen eines Buches, welches 20 Jahre im Regal stand und wo die Seiten leicht vergilbt sind, als sinnliches Erlebnis übertrifft.

Aber beide Befindlichkeiten sind irrelevant.

Das eBook wird weiter auf dem Vormarsch sein. Es wird sein, wie einst mit den Schallplatten. Natürlich hat das Vinyl der Schallplatte etwas ganz besonderes. Aber einen Plattenspieler kann ich nicht zum Joggen mitnehmen. Ich kann auch niemals meine ganze Plattensammlung in den Urlaub mitnehmen.
Das eBook ist in allen Belangen dem gewöhnlichen Buch überlegen. Seine Alltagstauglichkeit jenseits des gemütlichen Wohnzimmersessels, wo das gigantomanische Bücherregal dem Speicher des eReader gegenübersteht, ist unschlagbar.
Als Germanist haben sie alle Klassiker immer dabei, können eine bestimmte Stelle per Volltextsuche mal eben aufrufen, können Notizen am Text anbringen, diese in der Cloud speichern und teilen. Wer Platz braucht, mobil sein will, Hausstaub hasst, die Natur schonen will (wobei ich mich bei der CO2 Bilanz von eReadern nicht so ohne weitere Recherche festlegen möchte) - der muss zum eReader greifen.



Aber zurück zu dem eigentlichen Problem: Vinyl und MP3 existieren mittlerweile friedlich nebeneinander. Die Schallplatte hat mittlerweile viele neue Freunde - die meisten Labels bringen eine Neuerscheinung auch als Vinyl heraus. Weil es sich immer noch lohnt. Als der Siegeszug von MP3 begann, standen sich herkömmliche Labels und neue Musikportale unversöhnlich gegenüber. Das ist mittlerweile anders. Das hat auch etwas mit den Preisen zu tun. Ein eBook zu demselben Preis wie ein gedrucktes Buch, ist schlichtweg eine Schweinerei. Als sich die Preise für Musik zum Download geändert hatten, waren auf einmal auch die vernünftigen Geschäftsmodelle da - es dauert eben seine Zeit, bis nicht nur ein Individuum, sondern auch eine ganze Branche die Bequemlichkeit ablegt.

So wird es auch mit den Büchern sein. Warum sollte ein Anhänger eines eBooks gegen den klassischen Bücherliebhaber polemisieren? - Weil aufgrund der Schnelllebigkeit unserer Zeit jeder Vergleich eine Polemik sein muss. Wir glauben, das eBook ersetzt das Buch. Ja, das ist so. Die Reclam-Heftchen sind alle im Altpapier. Die vergilbten Taschenbuchausgaben der anderen Klassiker ebenfalls. Aber entsorgen wir deshalb den Bildband von New York oder die Illustrierte Weltgeschichte? Sicher nicht - und warum nicht?
Das Buch ist eine Komposition, das eBook eine Kompilation. Kunstwerk und Zusammenstellung. Natürlich kann auch eine Zusammenstellung ein Kunstwerk sein. Aber dazu gibt es im Bereich eBook noch keine wirklichen Standards. Wenn das in naher Zukunft geschieht, dann wird das eBook mit Videos und Tondokumenten angereichert sein. Damit grenzt es sich vom herkömmlichen Buch schließlich ab. Das eBook dann noch als Buch zu bezeichnen oder mit ihm zu vergleichen, ist absurd.
Durch diese Abgrenzung wird das Buch als solches erhalten bleiben. Es wird ebenso wie die Schallplatte mehr als nur ein Nischendasein fristen.

Woher aber kommt die Polemik? Vordergründig weil alles Neue immer auf Widerstand stößt. Das betrifft alle Lebensbereiche - in unserer Zeit noch beschleunigt. Diese Widerstände haben in der Regel aber nur eine rationale Begründung: die Bequemlichkeit, einen so zentralen, so wichtigen Vorgang wie die Aneignung von Wissen durch das Lesen fundamental zu ändern. Es ist wie das Erlernen von 10-Finger Technik beim Schreiben. Man kann es üben, verfällt aber in den alten Trott. Für manche ist es vielleicht einfacher, wenn sie die Vorteile erkennen. Was der Bauer nicht kennt, dass sucht er erst gar nicht - weder auf dem Feld noch im Stall.

Ein weiteres Argument, dass mit neuen Medien im Allgemeinen verbunden wird, ist ihre angeblich begrenzte Lebensdauer. Ein absurdes Argument, ist sich die Industrie dieses Umstandes ja schon lange bewusst. Man kann sicher nur schwer manche Dateiformate aus den 80er Jahren öffnen - aktuelle Medien folgen aber MarkUp-Prinzipien, d.h. der Inhalt und die Darstellung des Inhaltes sind voneinander getrennt. Man wird also auch in 50 Jahren ein eBook von heute noch öffnen können. Außerdem ist die Vergänglichkeit von Information kein Argument. In jeder Bibliothek kann ein Feuer ausbrechen, jedes Papyrus wird irgendwann zerfallen. Ja sogar an Steintafeln nagt der Zahn der Zeit. Es kommt darauf an, Informationen auf ein neues Medium zu transportieren. Dieser Vorgang ist ein wesentlicher Bestandteil von kultureller Identität einer Gesellschaft. Er eignet sich nur sehr bedingt für Polemik.

Der dümmste Grund für die Polemik aber ist die Gleichsetzung von neuen Medien und ihrem Konsum mit dem Verlust von Werten. Sicher gibt es in unserer Gesellschaft den Verlust von Werten zu bemängeln. Warum sollte aber der Austausch eines Mediums daran schuld sein oder dies befördern? Ob ich Goethe, Schiller oder Shakespeare auf Papier oder digital lese - wie können in einem Medium Werte verloren gehen? Das Gegenteil ist der Fall - werden Inhalte vernünftig transportiert, dann auch ihre Werte. Sie werden so für neue Generationen erschließbar. Vielleicht ist das der Sinn und Zweck von Fortschritt überhaupt. Aber das erreicht man nicht, in dem man alten Medien nachtrauert. Ich würde sogar noch weiter gehen: Jemand der gegen ein neues Medium polemisiert hat den wahren Gehalt der Werte des »Originals« noch gar nicht verstanden.
Was also ist der Unterschied zwischen Fortschritt und Bequemlichkeit? Die einen lesen eBooks, weil es bequem ist. Weil es bequem ist, hunderte Bücher immer dabei zu haben. Die anderen lesen herkömmliche Bücher, weil sie zu bequem sind, sich mit etwas Neuem zu befassen oder sogar zu arrangieren. Fortschritt ist also dann gegeben, wenn die Bequemlichkeit mit Neugier kombiniert wird.

Ich bin neugierig. Sehr neugierig. Und wenn ein Blogger auf der Internetseite eines großen klassischen Verlages gegen eBooks polemisiert, dann frage ich mich, warum dieser Verlag der Vergangenheit nachtrauert, anstatt selbst neugierig in die Zukunft zu sehen. Aber der Suhrkamp-Verlag als iTunes der eBooks? - Ich möchte meinen Text jetzt nicht in Polemik enden lassen ... .

(Dieser Artikel ist eine Antwort auf diesen Artikel von Friedrich Forssman - "abgedruckt" im Blog des Suhrkamp-Verlages.)

Kleine Änderungen

Das Kultur-Magazin hat jetzt ein bisschen mehr "Magazine-Style" ist aber nach wie vor als BlogSpot Seite konzipiert.

Der angekündigte Artikel zur Polemik zwischen eBooks und traditionellem Buch ist ebenfalls online.


5. Februar 2014

eBooks - Polemik und Argumente

Derzeit wird in diversen Autorenforen und Blogs ein Artikel, vielmehr eine Polemik gegen eBooks heiss diskutiert. Dieser Artikel ist im Blog des Suhrkamp Verlages erschienen (der wie viele andere Buchverlage derzeit ums Überleben kämpft):

http://www.logbuch-suhrkamp.de/forum/warum-es-arno-schmidts-texte-nicht-als-e-book-gibt

Eine nicht minder polemische Antwort darauf findet sich bei culturmag, dem zweitbesten ;-) Kultur-Magazin im Internet.

http://culturmag.de/litmag/zo-beck-ueber-die-boesen-ebooks-eine-antwort-auf-friedrich-forssman/78887

Es ist eine Diskussion Alt gegen Neu, Vergangenheit gegen Zukunft. Ich werde mich am Wochenende in einem Artikel um die Gegenwart kümmern und schauen, was von purer Polemik übrig bleibt. Argumente gibt es auf beiden Seiten - aber der Zeitgeist interessiert sich ebenso wenig für Argumente, wie der Fortschritt. Das sollte ein jeder Bedenken. Ewig-Gestrige, die verklärt die Tatsachen verkennen, liegen ebenso falsch wie naiv träumende Digital-Natives. Nur der bodenständige Dorfpoet kennt die goldene Mitte ;-)

2. Februar 2014

Varianten des Imperativs

Ist der kategorische Imperativ von Immanuel Kant noch aktuell?

Nachfolgender Text ist ein Auszug aus einem größeren Text, an dem ich noch einige Zeit werde arbeiten müssen. Mein Anliegen ist der Brückenschlag zwischen dem Idealismus eines Immanuel Kant und aktuell disktutierten Themen namhafter Philosophen. Die Hintergründe beziehe ich aus diversen Zeitschriften zum Thema und eigenen Recherchen.
Dieser Text ist als Einstieg in das Thema gedacht. Es handelt von Kants kategorischem Imperativ und seinen Varianten. Zwei bedeutende Philosophen unserer Zeit, Derek Parfit und Thomas Scanlon, lieferten Varianten dieses Imperativs und transpotieren ihn damt in unsere Zeit.
 
Von Peter Killert.
 
Wir kennen ihn alle. Aus der “Grundlegung zur Metaphysik der Sitten” ;-) Genau. Das sind die Bücher, die wir alle nebenbei in den Werbepausen des Privatfernsehens lesen ;-)
 
Dort schreibt Immanuel Kant:
 
“Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.”
 
Kant selbst hat diesen Satz mehrfach variiert.
 
“Handle nach der Maxime, die sich selbst zugleich zum allgemeinen Gesetze machen kann.”
 
oder
 
“Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.”
 
Eine ganz einfache Variante lernt man in einem guten Kindergarten. Ab einem bestimmten Alter ist ein Mensch in der Lage folgende Vereinfachung des kategorischen Imperativs zu verstehen:
 
“Was Du nicht willst, das man Dir tut, das füg´ auch niemand anderem zu!”
 
Oder, wenn es dann in die weiterführende Schule geht.
 
“Meine Freiheit endet dort, wo die Freiheit des anderen anfängt.”
 
Jetzt gibt es zwei Varianten, die sich führende Philosophen ausgedacht haben und die Folge einer langen Auseinandersetzung mit dem Thema ist.
 
“Jeder sollte Prinzipien folgen, die niemand vernünftigerweise zurückweisen kann.” (Thomas Scanlon)
 
“Ein normatives Prinzip muss nicht durch etwas anderes verifiziert werden.” (Derek Parfit)
 
Thomas Scanlon
Diese Sätze sind augenscheinlich kürzer als das Original, auf der einen Seite etwas weniger »sperrig«, auf der anderen aber ragt ein Wort heraus, das Kant nicht verwendet hat. Das »Prinzip«. Parfit fügt noch das Prädikat »normativ« hinzu.

 

Gehen wir aber zunächst auf das "verifiziert" ein. Die Philosophen sprechen von "Verifikation" also dem direkten logischen Beweis und von "Falsifikation", das ist der indirekte Beweis durch logische Darlegung, dass das Gegenteil nicht zutreffen kann. Parfit sagt, dass ein normatives Prinzip (eine sehr klug in die Gegenwart transportierte Definition des "Kategorischen Imperativs") durch nichts anderes verifiziert werden muss. Das bedeutet: das normative Prinzip hat eine Allgemeingültigkeit, die aus sich selbst heraus rechtfertigt. "Die Würde des Menschen ist unantastbar" beispielsweise ist so ein Prinzip. Es ist völlig einleuchtend, dass die Verletzung menschlicher Würde dem menschlichen Dasein entgegenstrebt. Jederzeit. Ein Gebot wie "Du sollst nicht töten" hingegen steht da schon auf einer nicht ganz so soliden Grundlage, wenn man Verfechter der aktiven Sterbehilfe fragen würde.
Interessant wird es, wenn man solche Gebote, die als Prinzip gebraucht oder auch missbraucht werden, hinterfragt. Dieses Hinterfragen ist der Prozess der Normierung des Gebots. Es ist so, als würde der Anspruch unzähliger Individuen zu einer Formel finden, die diese Allgemeingültigkeit besitzt.
 
Derek Parfit
Aber jetzt zu dem eigentlich spannenden Begriff: "Das Prinzip" - Was ist so besonders daran? Ob und wie Kant das Wort »Prinzip« verwendet hat oder verwendet hätte - das wäre eine eigene Diskussion wert. Das »Prinzip« - im allgemeinen Sprachgebrauch oft mit der Phrase »... es geht mir um das Prinzip ...« genutzt - dürfte für Kant noch gar nicht relevant sein. Denn das Zeitalter der Aufklärung hatte sich ja zum Ziel gesetzt, dass Menschen Maximen verinnerlichen. Eine verinnerlichte, individuelle Maxime ist ein Prinzip. Genauer: zu Zeit Immanuel Kants hatten die Menschen noch keine individuellen Prinzipien. Es gab also keinen Anlass, so einen Begriff zu verwenden. Der individuelle Imperativ war noch gar nicht geboren.
 
Daraus ergibt sich aber wiederum ein anderes Problem: ist ein Prinzip individuell, wie kann es dann allgemeingültig sein? Die Antwort hat Derek Parfit und eröffnet damit einen neuen Ansatz auf den uralten kategorischen Imperativ: er ist normativ, d.h. er birgt in sich einen Anspruch. Parfit definiert diesen Anspruch auch gleich - er ist gültig und braucht durch nichts anderes verifiziert zu werden. Er ist sozusagen das abstractum atomar - eine nicht zerlegbare Abstraktion. Das Prinzip muss von allen Menschen als ein Prinzip verstanden sein.
 
Die spannende Frage ist nun: Gibt es das wirklich? Ja, aber nur im Kontext der Vernunft. Wer das Prinzip »rechts vor links« im Straßenverkehr nicht beachtet, hat ein Problem. Eine aus einem normativen Anspruch abgeleitete Regel ist ein Prinzip.

 

Was ist aber, wenn es an die wirklichen Abstraktionen geht? - »Wahrheit« oder »Freiheit«. Gibt es dort auch eine »shared vision« für alle Menschen, die nur eine Interpretation zulässt? Gibt es von der Perspektive unabhängige Abstraktionen?
 
(Und genau darum geht es in den dieser Einleitung folgenden Ausführungen. In Kürze mehr dazu ...)

Weitere Infos zu Thomas Scanlon und Derek Parfit.

Über das Gutmenschentum

Mein Vokabular. Ich bin dabei, es zu reflektieren. Dies ist ein weiterer Versuch.

Es ist so ein Begriff, den man sehr genau analysieren muss, damit verstanden werden kann, warum er so negativ behaftet ist. Ein guter Mensch gehört zum "Gutmenschentum" - aber die Konnotation des Begriffes ist negativ.

"Gutmensch" ist wie "menscheln", wie oberflächliches Paradieren einer Belanglosigkeit, gepaart mit einem universalen Attribut. Ein ironisches Separieren einer Menschengruppe, der man voller Ironie nachsagt, einer anderen etwas voraus zu haben - das "Gute" an sich taugt nicht für Ironie. Was soll das in Ironie verkehrte Gute auch sein?

Als es zum Beispiel vor einigen Monaten um die ethische Bewertung des damals noch amtierenden Bundespräsidenten Wulff ging, da sagte ein bekannter Fernsehmoderator in einer Talkshow: "Wir wollen doch keine Mutter Theresa als Staatsoberhaupt." - Mutter Theresa, ein Mensch, den man wahrlich als "gut" bezeichnen kann, weil er sein Leben für das Allgemeinwohl eingesetzt hat. Dieser Mensch muss herhalten für ... ja für was eigentlich? Für die Rechtfertigung, dass uns allen mal ein Fauxpas unterlaufen kann und das Herausholen von idealistischen Maßstäben als "Gutmenschentum" zurückgespielt wird? Vor allem als Vorab-Reaktion, auch dann, wenn das "Gutmenschentum" gar nicht übermäßig betont wurde?

Noch viel schlimmer ist die Interpretation des "Gutmenschentums" im Zusammenhang mit Menschen, die sich an uns orientieren und denen man den Strohhalm reichen möchte. Die Rumänen zum Beispiel - alles "Armutseinwanderer". Die Flüchtlinge auf Lampedusa, die ihr Leben riskieren, nur weil sie mal bei ALDI einkaufen wollen? Das "Deutsche Gutmenschentum" gepeinigt von der ewigen Schuld der Nazizeit, will da natürlich die Welt verändern, die Welt verbessern. Und es sind nur die Deutschen. Der Deutsche an sich muss zahlen. Warum nicht die andern? Der Deutsche an sich zahlt für die Krise in Europa ... Das sind die dämlichen Argumente, die vorgebracht werden. Was für ein Unsinn.

Menschen, die so denken, sind Blender. Menschen, die andere als "Gutmenschen" abwertend bezeichnen sind die, die mit der passenden Kleidung, dem passenden Auto, der passenden Rücksichtslosigkeit, die allzu gerne mit Durchsetzungskraft oder gar "Lebenserfahrung" verwechselt wird, durch das Leben gehen und eigentlich nichts können. Sie erkennen nur, dass andere um sie herum - und mit denen bilden sie Seilschaften des gegenseitig betreuten Egoismus - genauso sind. Und der Unterschied zwischen Menschen, die andere despektierlich als "Gutmensch" aburteilen und einer Mutter Theresa ist eigentlich nicht "das Gute". Es ist die Tatsache, dass Mutter Theresa wusste, wofür sie lebt. Es ist ein gewisser Neid von Menschen, die vielleicht ihr Leben lang die Selbstreflexion nicht erlernen werden.

Mit diesen Menschen sollten die "Gutmenschen" Mitleid haben.
Was ist eigentlich das Gegenteil von "Gutmensch"? Warum haben die "Gutmenschen" keinen passenden Begriff für sie parat? Ganz einfach - Weil sie sich nicht damit beschäftigen. "Gutmenschen" sind selbstreflektiert und nutzen ihre Zeit sinnvoll. Dieses innere Selbstreflexion entfernt sie auch von der Welt. Dass gute Menschen manchmal weltfremd wirken ist tatsächlich gar nicht so abwegig.

Die Tatsache, dass ich so einen Blog-Eintrag schreibe, zeigt ja eigentlich, dass ich gar kein Gutmensch bin. Denn ich beschäftige mich ja mit diesem Schubladentum. Ich wurde auch noch nie als "Gutmensch" bezeichnet. Ich beschäftige mich dennoch mit der Unterscheidung von Menschen. Aber das liegt ja auch daran, dass ich mich als Künstler bezeichnen würde. Künstler reflektieren eben nicht nur sich selbst, sondern auch die Welt. Da kann man noch so gut als Mensch sein - die Welt und manche ihrer Eigenheiten sorgen für ein Remis im Geiste.

Jedenfalls sei eines mal ganz klar gesagt: Ein guter Mensch zu sein, tut nicht weh - es setzt nur Selbstreflexion voraus. Und Menschen, die andere Menschen als "Gutmenschen" abstempeln sind dazu nicht in der Lage. Drum merket Euch: Die eigene Nase ist immer näher, als die des Anderen.

Dictatura Universale

Uns umgibt
Als verklärtes Etwas
Ein Band von Sprache
In liebend Blick

Uns allen
Ist es eigen
Das Gefühl
Als Ausdruck

Für Menschen
Ihr Dasein
Für den Plan
Des Verstehens

Wo Du küssen willst
Da darfst Du Dir sicher sein
Sind Lippen

Wo Du verstanden sein willst
Gibt es Münder
Die eben nicht nur sprechen können.


1. Februar 2014

Spuren

Gestern traf ich einen alten Mann. Und er war wirklich alt. Und er stand bei den Regalen im Fachhandel, bei den mobilen Festplatten für Computer. Und er verglich nicht nur die Preise, sondern auch die Spezifikationen.

Dann sah ich eine junge Frau. Und sie trug einen Blaumann und hatte keine übermäßig bemalten Fingernägel. Sie trug einen ausgemusterten Heizkörper aus einem Haus.

Dann sah ich eine alte Frau im Rollstuhl an einer Bushaltestelle. Und sie rief lautstark um Hilfe, um in den Bus zu kommen. Und da waren drei junge Menschen mit Knöpfen in den Ohren und ihr den Rücken zugewandt. Sie hörten sie nicht.

Dann hörte ich demjenigen zu, der immer beteuerte gerade nicht diese Sendungen anzuschauen. Jene Sendungen, die Menschlichkeit an sich ganz unverhohlen beleidigen. Und er kannte alle Protagonisten.

Dann schaute ich den Spiegel. Am Morgen, am Abend. Und ich spürte, dass es Spuren von fehlender Jugend gab. Und erste Furchen im Gesicht und erste graue Haaren. Und dann waren da meine Augen, die über den Tag müde geworden waren und die all diese Dinge sahen.