20. Oktober 2012

Fordert das Glück!

Er war zuständig für die Abzocke. Grinsend saß er in seinem Ledersessel und hörte über ein Headset ein ausgehendes Gespräch eines seiner Mitarbeiter mit.

Mitarbeiter: „Sitzen Sie gut?“
Alter Mann: „Wer ist da bitte?“
Mitarbeiter: „Frederick Schneider - ich habe die Aufgabe Sie über einen Gewinn zu unterrichten …“
Alter Mann: „Aha …“
Mitarbeiter: „Ja, Herr XXXXXXX - sie haben gewonnen.“

Für einen fünfstelligen Betrag hatte er vor wenigen Wochen eine CD mit Adressdaten und Telefonnummern von Lottospielern einem korrupten Angestellten einer staatlichen Lottogesellschaft abgekauft. Darunter auch die Kontaktdaten des alten Mannes. Diese Telefonnummern verteilte er an seine Mitarbeiter, die diese Menschen anrufen und von ihrem Glück überzeugen sollten. Die ganze Konversation behielt sich im Hintergrund die Mitteilung eines Lottogewinns vor, den der alte Mann vielleicht übersehen hatte. 12.000,- EUR habe er angeblich gewonnen.

Mitarbeiter: „Nein, ich bin nur der Sachbearbeiter. Ich kann Ihnen gar keine Details nennen. Ich weiß gar nicht, bei welcher Auslosung sie konkret gewonnen haben. Ich bin nur der Glücksbote und derjenige, der die Auszahlung veranlasst. - Ein schöner Job? Ja, in der Tat. Lieber Herr XXXXXXX - für die Auszahlung ihres Gewinns bräuchte ich dann ihre Kontonummer.“

Auch die Rückfragen des alten Mannes wurden geschickt umgangen.

Mitarbeiter: „Natürlich bekommen Sie alles auch noch einmal schriftlich bestätigt. Ich nehme an, Sie wollen auch weiterhin ihr Glück versuchen? Ich meine, sie sind doch Profi. Warum sollten sie nicht auch weiterhin Glück haben? Das Glück lässt sich durchaus fordern.

(Das „Ja“ des alten Mannes bezog sich auf die zweite Frage, nicht auf die erste - aber es war eine Antwort, die der Mitarbeiter und sein Chef als Vertragsabschluss verbuchten.)

Er trieb es auf die Spitze.

Mitarbeiter: „Also unter dem Strich wird das dann sogar günstiger für sie. Ich nehme an, sie haben nicht dagegen an einer Gruppenauslosung teilzunehmen, bei der sich ihre Chancen vervierfachen? “

-

Er lebt heute in seinem Bungalow auf Ibiza. Für den alten Mann gab es keinen Gewinn - den Abbuchungen von seinem Konto hat er zum Glück rechtzeitig widersprochen. Es ist nur ärgerlich, dass jetzt beinahe täglich das Telefon klingelt. Überall warten Menschen, die das Glück verkaufen wollen, um sich selbst schamlos zu bereichern. Sie bereichern sich an der scheinbaren Naivität des Gutmütigen.

Ich bin da ein wenig anders. Mein Idealismus unterscheidet sich nach Außen hin nicht von der Naivität. Mein Idealismus schließt aber auch nichts aus. Idealismus durchschaut die Hinterhältigkeit.


Meine Kampfansage ist klar: Irgendwo gibt es einen Raum. Mit ihm, mit mir und dem Glück. Sonst niemand. Für ihn wird es alles Glück der Welt bedeuten, wenn er meinem Zorn ausweichen kann. Irgendwann wird Ibiza mal mein Urlaubsziel sein.

18. Oktober 2012

Macht Platz für große Herzen!




Ein älterer Mann. Fahrradfahrer. Gemütlich und gutmütig. Jemand, der auf mich abgefärbt hat. Der mich geprägt hat.
Zwei Typen, der eine macht einen auf seriös, der andere wirkt abgefucked. In der Nähe eines Parkplatzes, hier in der Stadt.

„Entschuldigen Sie bitte - wir brauchen dringend ihre Hilfe. Wir müssen dringend zu einem Termin, haben aber kein Kleingeld für den Parkscheinautomaten. Es ist wirklich dringend. Hätten Sie vielleicht einen Euro, den sie entbehren könnten? Es fehlt nur ein Euro Kleingeld. Sonst öffnet sich die Schranke nicht. Hier, mein Bekannter, er hat ein Vorstellungsgespräch. Er kommt sonst zu spät.“

- Der ältere Mann ist hilfsbereit. Und während er in seiner Geldbörse kramt, wird er außerdem nach dem Weg gefragt. Ein Stadtplan wird ihm vor die Nase gehalten. Er ist abgelenkt. Der andere ist kein potentieller Bewerber, sondern ein Trickdieb.

Erst zu Hause merkt der ältere Mann, dass die beiden 50 EUR Scheine aus der Geldbörse fehlen. Da er nur in dieser Situation seine Geldbörse an diesem Tag benutzt hat, weiß er, dass man ihn betrogen hat.

Er ist verärgert. Er schüttet sein Herz aus. Und er erntet von denen, die zu ihm stehen sollten, nur Hohn und Spott. Ob er denn - in seinem Alter - noch nicht erfahren habe, dass der Ehrliche immer der Dumme sei.
Er hat es erfahren. Aber ein großes Herz braucht Platz. Normalerweise verdrängt es die Ressentiments gegenüber dem Mitmenschentum.

Seine Selbstzweifel waren von da an stärker. Er wird nicht mehr so sein, wie zuvor. Er wird nicht mehr helfen. Sein Herz wird kleiner, umschliesst nicht mehr länger einen Teil der Welt, der über seinen Tellerrand hinaus existiert. Weil man ihn nicht darin bestärkt hat, dass er nichts falsch gemacht hat, sondern nur die zwei Kriminellen, die ihn beklaut haben. Keine Sekunde lang hätte er zweifeln dürfen. Zumindest nicht an sich.


So ist meine Kampfansage ganz klar: Der Tag wird kommen, ihr Wichser, an dem ich Euch finden werde und ihr beginnen dürft, Eure Schuld abzuarbeiten. Es sind keine 100,- EUR, die ihr mir schuldet. Ihr schuldet mir eine bessere Welt. Eine Welt, in der Sätze wie „Der Ehrliche ist der Dumme“, nicht mehr länger der Titel eines Bestsellers ist, nicht mehr länger als Weisheit gilt. Ihr schuldet mir eine bessere Welt und fragt Euch ernsthaft, ob ihr in dieser Welt noch einen Platz habt. Verschwindet aus dieser Welt. Macht Platz für große Herzen!