12. August 2012

Im Portrait: Atmosphärischer Jazz von NICOLE JO

Jazz! – Ich muss ja zugeben, dass ich nicht unbedingt der Jazz-Fachmann bin. Meine bescheidene Zuneigung zu Jazz orientiert sich an einfachen Compilations von den Größen des Jazz und der immer wiederkehrenden Überraschung, wie viele bekannte Melodien und Stimmungen über diese Musik transportiert werden. Meinen großen Schritt vom Banausen zum Fachmann können Sie mit mir in dieser Rezension gemeinsam gehen  – Hier ein Portrait von NICOLE JO, die erst vor wenigen Wochen mit GO ON ihr fünftes Album veröffentlicht haben.

Von Peter Killert

Killert 19

NICOLE JO ist ein Quartett aus dem Saarland – im Mittelpunkt Nicole Johänntgen und ihr Saxophon. In Szene gesetzt wird die Musikerin von ihrem Bruder Stefan Johänntgen, Pianist und für die Soundcollagen der Band verantwortlich, sowie den beiden renommierten Musikern Christian Konrad am Bass und Elmar Federkeil am Schlagzeug – beide haben sich auch ausserhalb von NICOLE JO in verschiedenen Musikproduktionen ebenfalls einen Namen gemacht. Atmosphärischer Jazz nennt die Band ihre Musik, die sie seit 1998 gemeinsam produzieren und die jetzt bereits mit der fünften CD dokumentiert ist.

Ich gebe es zu – als mir Nicole Johänntgen das neue Album zugesendet hat, habe ich geantwortet, dass ich vor einer Rezension die Musik erstmal auf mich “wirken lassen” muss. Das war glatt gelogen. Ein Durchlauf der CD hat gereicht und mein Urteil stand fest. Das “wirken lassen” bezog sich eigentlich mehr auf das Finden einer passenden Einordnung dieser Musik und ihrer Faszination – und welcher Journalist gibt schon gerne zu, dass er noch so gar keine Ahnung hat, wie er die Musik beschreiben soll? Ich hatte schon erwähnt, dass ich ein Banause bin, was Jazz angeht? Manchmal sind Banausen wie Jungfrauen, die trotzdem mitreden wollen.

Also schaue ich mir die Band genauer an. Die exzellent gemachte Homepage von NICOLE JO macht es einem Rezensenten dann doch ein bisschen einfacher. Und zum Glück gibt es da auch noch YouTube. Da gibt es einige schöne Videos, die die Band in Aktion zeigen. NICOLE JO sind nicht nur eine Studioband – Jazz lebt auf der Bühne und das kommt selbst bei YouTube ganz gut rüber. Auch wenn Nicole Johänntgen im Mittelpunkt steht – die einzelnen Instrumente umrahmen ihr Saxophon, tragen es förmlich. Nicole Johänntgen gibt nicht den dominanten Ton an, wohl aber die Richtung und ihre Männer folgen ihr. So muss das ja auch sein;-)

Mal geht es ein bisschen schneller zu, beinahe schon rockig, dann wieder ruhiger, fast hin zu einer Ballade und man verliert sich in einem Moment des Innehaltens. Wenn ich die Augen schließe und das “wirken lassen” in Worte fasse: das ist wie in einer schillernden Metropole, ein bisschen wie ein Davonlaufen (“Run”) und zum Luftholen flüchten wir in eine Seitenstrasse, in einen kleinen Park vielleicht (“Time”), aber dann geht es direkt weiter, keine Ruhe, das Spiel wird schneller. Hat man sich eben noch treiben lassen, ist man jetzt wieder der Getriebene, ein bisschen benommen, trunken vor Eindrücken (“Brachial”).

Dann wieder ein Eindruck, der Dich packt und mitreisst. Ich bin in den letzten Jahren einige Mal in New York gewesen. Wenn es einen Schalter gäbe, der das Treiben einer solchen Stadt eben auch mit den paar ruhigen Plätzen dort in der Metropole in Musik verwandeln würde, er wäre der Schalter des MP3 Players, der GO ON startet und mich durch die Metropole leitet. Irgendwie, denn da ist Struktur, Geradlinigkeit, Melodie mit Wiedererkennungswert (“Smile”, mein persönlicher Lieblingstrack), aber auch Improvisation und immer ein Mindestmaß an Harmonie. Ein roter Faden wird immer wieder aufgenommenen, in ähnlichen, zueinander passenden melodischen Ansätzen. Das macht die Musik dann auch für mich greifbar und aus dem Album etwas Kompaktes. Ich bin jetzt ein Kenner. Wer GO ON kennt, kennt ein gutes Beispiel für guten Jazz.

Auf GO ON gibt es übrigens einen Hidden Track, ganz am Ende.

Und wer mir nicht glaubt, der glaubt vielleicht einem Nils Landgren (ein Name, der sogar mir bekannt ist  ): “Nicole is not scared to take it all the way out no matter what the direction is. She is a brave woman and a wonderful musician with a big heart and a smile on her face. I think she´s just great.”

Nicole Johänntgen geht ihren Weg, übrigens auch außerhalb ihrer Band. Ab Juli wird sie einmal im Monat eine Radiosendung bei Radio LoLa (Zürich) moderieren. Und meiner Meinung nach, werden wir noch einiges von der jungen Dame in Zukunft hören