28. Juli 2012

Abschied


Heinz Killert
1931-2012


5. Juli 2012

Das Glück ist manchmal eine Floskel

Glück ist manchmal eine Floskel. Man sagt, es liege im Moment, im Augenblick. Nur der sei wichtig. Nur der sei greifbar. Vielleicht ist dieser Gedanke, der einzige konsenzfähige zwischen Glaube, Hoffen und Wissen. Glück ist damit klein, damit es in die Nischen dieser großen idealen Eckpfeiler passt. Glück ist ein Baustein. Glück ist ein Moment, ein weiterer Moment und es ist all das, was sich von Außen nach Innen trägt.

Es beginnt an einem Morgen, Sonnenschein, wunderschönes Farbenspiel der Wolken am Himmel. Es ist draußen nicht zu warm, nicht zu kalt, es ist kein unnötiger Lärm, es ist nichts da, was von dem Moment abhält. Du stehst am Küchenfenster.

Das Brötchen schmeckt besonders gut. Ein wenig knackig, warm, weich - ich weiß schon, warum ich mir diese Kaffeemaschine gekauft habe und warum nach langem Probieren genau dieser Kaffee so gut schmeckt. Da ist nichts, was meine Aufmerksamkeit in diesem einen Moment ablenkt.

Manchmal draußen ein wenig Wind, ich fahre zur Arbeit, zu einem Besuch, zum Einkaufen - egal. Kein anderer Mensch macht mir so schnell den Moment an den Gedanken zuvor streitig.
Die Welt duftet. Nichts menschengemachtes stinkt. Die Ampel bleibt auf grün, ich kann weiterfahren. Ein anderer gewährt mir Vorfahrt, meine Quittung ein Lächeln, auch einen Moment, für den anderen.
Alles geht von der Hand, alles passt. Selbst Überraschungen passen in das Konzept der Aneinanderreihungen von Momenten.

Du bekommst Deinen Lieblingswein im Supermarkt, Du triffst jemanden, den Du schon lange nicht mehr gesehen hast und den Du jetzt endlich mal wiedersiehst. Du hörst von einer alten Schulkameradin, die jetzt Mama ist. Auch Deinen alten Eltern geht es heute gut. Du stehst über den Dingen, die von Leuten gesagt werden, die über ihnen zu stehen vorgeben wollen - und nicht bei Dir sind. Nicht wirklich und auch nicht, im übertragenen Sinne. So wie Du jetzt gerade bist, ist die Aneinanderreihung von Momenten eine Gerade. Der schnellste Weg zwischen dem Zweifel und seiner Auslöschung.

In den Nachrichten sagen sie, sie haben das Leck der havarierten Bohrinsel geschlossen, die Tsunami Warnung eines Erdbebens wurde zurückgezogen und der Junge, der mit Waffen in die Schule gegangen war, konnte eines besseren belehrt werden. Man wird das diskutieren und zu Schlussfolgerungen kommen.

In dem tausendfach gehörten Song Deiner Lieblingsband entdeckst Du etwas neues. Und der andere Schriftsteller, der parallel zu Deinen Lieblingsautor gelebt hat, ja der sogar mit ihm befreundet war, schreibt vorzüglichste Sätze, die Du noch nie zuvor gelesen hast. Du kanntest ihn gar nicht. Ja, Du erfährst, dass es sogar einen Briefwechsel zwischen beiden gibt, auf den Du Dich freuen kannst. Gerade neu erschienen. Schon heruntergeladen. Die Leselampe an.

Begleitend dazu ein Konzert im Fernsehen an einem Abend mit gleich vielen Konzerte, eine andere Konzertband verschenkt ein paar Songs auf ihrer Homepage und sie landen auf Deinem Player, um sofort parallel zum Lesen eines neuen Lieblingsbuches gehört zu werden.

Jetzt ist das Glück das Eröffnen von Horizonten.

Ein Gewitter kündigt sich an. Es gibt den Kerzen in Deiner trockenen Wohnung noch mehr Bedeutung. Der Tag klingt aus, das Bett duftet.

Jetzt ist das Glück all das, was fehlt, was dir sonst den Gedanken an schöne Träume verstellt.

Glück ist das Suchen nach Kleinigkeiten, die zusammen ein großes Bild ergeben. Glück ist das Finden von passenden Puzzleteilen eines Bildes, welches man ´Ich´ nennt. Glück? - Glück ist manchmal eine Floskel.